INTERMEZZO #11

The State of Innocence
- Nina Koželj
Open Doors: Samstag, 24.06.2023, 15-19 Uhr

AUSSTELLUNGSANSICHTEN

DE

The State of Innocence

Die slowenische Künstlerin Nina Koželj arbeitet in ihrem Werk gegen viele Grenzen – und überwindet diese. Seien es die verschiedenen Materialien und Techniken, die sie in ihren Installationen und Objekten frei kombiniert, aber noch viel grundlegender: Formen lösen sich auf, Formen werden geschaffen. Eine grenzenlose Freiheit äußert sich in diesem Werk, das sich jenseits konzeptueller Strenge positioniert.

Stets spielt der Ausstellungsort in dieser Kunst eine besondere Rolle: In situ kreiert Nina Koželj Situationen, Installationen, die mit hintergründigem Humor vom Leben der Menschen, von ihrem Miteinander, von Beziehungen erzählen. Wie etwa die interaktive Licht-Installation „These Flowers Are For You”: ein beleuchteter Strauß verwelkter Blumen, die für den Betrachter bestimmt sind: Nähert man sich ihm, so verwandelt er sich, erwacht zum Leben, leuchtet in intensiven Farbe. Ein Strauß, der sich ungemein freut, wenn man vor ihn tritt: ein besonderes Geschenk, gerade für mürrische Menschen – sagt die Künstlerin.

Oder die Arbeit „Flow Job“: eine von Elektromotoren angetriebene, aufblasbare Installation aus vier transparenten Figuren, die Luft ein- und ausatmen und so einen Luftzug im Raum entstehen lassen. Dabei verändern sich ihre Gesichter unkontrolliert und verwandeln sich, immer aufs Neue, auf groteske Weise. Die Köpfe verändern ihre Form und werden zu etwas anderem. Dem billigen Material Kunststoff wird Geist und Seele eingehaucht.

Immer wieder ist der Betrachter Teil dieser Kunst, aktiviert Apparate und Installationen, erschafft sie nur durch seine Anwesenheit gleichsam selbst: Nina Koželj schafft Kunstwerke, die uns deshalb so tief berühren, weil sie um Beziehungen von Menschen kreisen, weil wir Teil dieser Kunst sind.

Diese Installationen, etwa auch jene eines atmenden Plastikkäfers, können aber auch unbehaglich sein. Wir ahnen beim Betrachten: Kontrollverlust ist immer möglich. Die Objekte erwachen zum Leben, auch wenn sie nicht lebendig sind. Paradox, grotesk muten sie an: Zwitter zwischen Geschöpf und Erscheinung. Es kann sich Angst einstellen – oder ein Lachen. Die Kunst von Nina Koželj kreist um das Unbekannte, um die Angst vor dem Unbekannten. Sie zeigt uns Momente des Übergangs, unbehagliche Momente und macht immer wieder auch den Tod zum Thema.

Eine ihrer jüngsten Arbeiten, 2022 entstanden, die nun in der Galerie Monica Ruppert und anschließend im MAK in Frankfurt zu sehen ist, heißt „The State Of Innocence“, welche die Künstlerin selbst so beschreibt: „Wenn wir einen Ort schaffen wollen, welcher die Menschen berührt, so könnten wir riesige Glocken herstellen, zart duftende Glocken aus dünnem Aluminiumblech, und sie so bemalen, dass sie wie Bonbons aussehen. Wir könnten einen kleinen Bildschirm und eine Kamera in den Blumen verstecken und Paare bilden. Jede Glocke könnte die Person zeigen, die den Blick unter einer anderen Glocke erwidert. Könnten wir, zumindest theoretisch, einen Zustand der Unschuld, den ersten Kontakt, zwischen zwei zufälligen Menschen herstellen, die ein Lächeln austauschen würden?“

Die Glocken, die Nina Koželj aus lackiertem Aluminium erschaffen hat, sie sehen aus wie überdimensionale Gänseblümchen. 3 Meter hoch sind sie. In dem Kelch der Blüten ist jeweils ein Monitor angebracht, der eine Person unter einer anderen Blüte zeigt. Die große, raumgreifende Installation ist eine virtuose, feingeistige Kommunikationsmaschine, lässt Menschen in Beziehung zueinander treten. Ist es ein Zustand der Unschuld, den wir hier erreichen?

Text: Marc Peschke

Biografie:
Nina Koželj ist eine 1985 geborene Künstlerin aus Slowenien. Sie arbeitet im Bereich der Bildhauerei und Installation. Nach ihrem Abschluss an der Sekundarschule für Design und Fotografie in Ljubljana schrieb sie sich an der Universität von Ljubljana ein, wo sie ihren Abschluss in Bildhauerei mit dem Thema Humor in der bildenden Kunst machte. In den letzten Jahren hatte sie mehrere Einzel- und Gruppenausstellungen, von denen die meisten von einer Jury ausgewählt wurden. Im Jahr 2010 erhielt sie den Preis der Vordemberge-Gildewart-Stiftung für ihre Druck/Keramik-Installation "The Game". Im Jahr 2011 vertrat sie Slowenien bei der "XVI. Deutschen Internationalen Grafik Triennale Frechen" in Deutschland, 2021 erhielt sie den Preis für die beste junge Autorin in Etikete -Laughter in Novo Mesto und 2016 nahm sie an der U3 - Triennale für zeitgenössische Kunst in der Galerie für Moderne Kunst in Ljubljana (kuratiert von Boris Groys) teil. Das Thema ihrer Studie ist Humor in der bildenden Kunst. Sie lebt und arbeitet in Stahovica bei Kamnik.

EN

Slovenian artist Nina Koželj works against many boundaries in her work - and overcomes them. Be it the different materials and techniques that she freely combines in her installations and objects, but even more fundamentally: forms dissolve, forms are created. A boundless freedom is expressed in this work, which positions itself beyond conceptual rigour.

The exhibition site always plays a special role in this art: in situ, Nina Koželj creates situations, installations that tell of people's lives, of their togetherness, of relationships with enigmatic humour. Like the interactive light installation "These Flowers Are For You": an illuminated bouquet of wilted flowers intended for the viewer: If you approach it, it transforms, comes to life, glows in intense colour. A bouquet that is immensely happy when you step in front of it: a special gift, especially for grumpy people - says the artist.

Or the work "Flow Job": an inflatable installation driven by electric motors and consisting of four transparent figures that breathe air in and out, creating a draft in the room. In the process, their faces change uncontrollably and transform, always anew, in a grotesque way. The heads change their shape and become something else. Spirit and soul are breathed into the cheap material plastic.

Again and again, the viewer is part of this art, activating apparatuses and installations, creating them himself, as it were, only through his presence: Nina Koželj creates works of art that touch us so deeply because they revolve around human relationships, because we are part of this art.

But these installations, such as the one of a breathing plastic beetle, can also be uncomfortable. We sense this when we look at them: Loss of control is always possible. The objects come to life, even if they are not alive. They seem paradoxical, grotesque: Hermaphrodites between creature and apparition. Fear can arise - or laughter. Nina Koželj's art revolves around the unknown, around the fear of the unknown. She shows us moments of transition, uncomfortable moments and time and again makes death a theme.

One of her most recent works, created in 2022 and now on show at the Monica Ruppert Gallery and subsequently at the MAK in Frankfurt, is called "The State Of Innocence", which the artist herself describes as follows: "If we want to create a place that touches people, we could make huge bells, delicately scented bells made of thin sheet aluminium, and paint them to look like sweets. We could hide a small screen and camera in the flowers and make pairs. Each bell could show the person returning the gaze under another bell. Could we, at least in theory, create a state of innocence, first contact, between two random people who would exchange a smile?"

The bells that Nina Koželj created from lacquered aluminium, they look like oversized daisies. They are 3 metres high. In the calyx of each flower is a monitor showing a person under another flower. The large, expansive installation is a virtuoso, subtle communication machine, allowing people to enter into a relationship with each other. Is it a state of innocence that we reach here?

Bio:
Nina Koželj is an artis from Slovenia born in 1985. She works in the field of sculptur and installation. After completing her studies at the Secondary School for Design and Photography in Ljubljana, she enrolled on University of Ljubljana where she graduated in sculpture on the subject Humour in Visual Art. In recent years she has had several solo and group exhibitions, most of which were selected by jury. In 2010 she was the recipient of the Vordemberge-Gildewart Foundation Award for her print/ceramic installation “The Game”. In 2011 she  represented Slovenia in the “XVI. Deutsche Internationale Grafik Triennale Frechen” in Germany, 2021 she receive the prize for the best young author in Etikete –Laughter in Novo mesto and in 2016 she participate on U3 – triennale of contemporary art in Gallery of Modern Art in Ljubljana (curated by Boris Groys). The subject of her study is humour in visual art. She lives and works in Stahovica near Kamnik.

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